Jeder Triathlon ist auch eine Flucht…Sei es die Flucht vor den Verfolgern, das Ausbrechen aus der Gruppe oder das Entrinnen vor der Zielzeit… Dieses Bild wird dem geneigten Athleten besonders einprägsam in San Francisco vor Augen geführt. In der Bay wird der „Escape from Alcatraz Triathlon“ ausgetragen, bei dem Multisportler aus aller Welt den Kampf gegen die Uhr über 1,5 Meilen Schwimmen, 18 Meilen Radeln und 8 Meilen Laufen aufnehmen. Aus Eppelheim war Philipp Herold von der SG Poseidon dazu „verurteilt“ teilzunehmen.
Im Gegensatz zu den Insassen der Gefängnisinsel (bis 1963) richteten sich die Starter am 14.06.09 ihre Zellen in der Wechselzone auf dem Marina Green am North Beach ein. Dabei ist ähnlich wenig Platz zur Verfügung und auch die Zahl der persönlichen Gegenstände ist überschaubar wie im Bundesgefängnis. Statt Büchern oder dem Bild der Familie wurden Räder aufgestellt und Helme, sowie Laufschuhe (ob die in Gefängnissen überhaupt erlaubt sind?!) präpariert.
Vom frühen Morgen an und über die gesamte Wettkampfstrecke standen die triathletischen Vollzugsobjekte unter strenger Bewachung zahlreicher Sheriffs. Statt mit gestreifter Sträflingskleidung geißelten sich die Athleten mit demütigend engen Wettkampfanzügen, die je nach Besitzer zumindest zuschauerfreundlich sein können – „very revealing“, wie der Amerikaner sagt.
So begann dann auch der Gefangenentransport mit Bussen und Fähre zum Start bei Alcatraz Island. Wegen der schroffen Küste und starken Strömung startet der Wettkampf nicht auf der Insel selbst, sondern die Athleten begannen ihre Flucht mit einem Sprung über Bord. Doch wir wären nicht in Amerika, wenn nicht vor dem Start noch die Nationalhymne gesungen würde. Schlagartig war alles nervöse Geschnatter an Bord verstummt, die Leute hörten auf, ihren Neoprenanzug zurecht zu zupfen und in strammer Haltung wurde der „pledge of allegiance“ abgegeben.
Nur wenige Sekunden darauf ging an Bord die Hölle los, als der Startschuss zum Ausbruch fiel. Binnen kürzester Zeit stürzten sich 2000 Athleten in die 12 Grad kalten Fluten und durchkreuzten Bay und Strömung in Richtung San Francisco. Für diejenigen, die die Flucht etwas entspannter angingen, bot sich aus dem Wasser ein eindrucksvolles Szenario. Im Westen wurde die Golden Gate Bridge von der Morgensonne bestrahlt, im Süden erhob sich die Skyline von San Francisco und im Osten lag die Gefängnisinsel in gleißendem Wasser.
Einige Schluck Salzwasser später stiegen die Athleten aus dem Wasser und waren damit weiter als (offiziell) je ein Alcatraz-Flüchtling kam. Der „Warmup-Run“ von gut einer Meile in die Wechselzone war mehr als nötig. Erst beim Ausstieg aus dem Wasser zeigte sich, wie ausgekühlt die Extremitäten waren, worunter die motorischen Fähigkeiten (bei Ausdauersportlern ja sowieso nur in sehr überschaubarem Maße vorhanden) doch sehr litten.
Auf der Radstrecke galt es möglichst viele Haken zu schlagen, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Auf der welligen Runde durch das „Presidio“ und „Pan Handle“ ging es kaum einen Kilometer geradeaus. Viele Kurven, steile Stiche und rasante Abfahrten ließen jedes Radler-Herz höher schlagen. Dazu die eindrucksvolle Kulisse, um und mit der Golden Gate Bridge, sowie die frenetischen Anfeuerungen der sportbegeisterten „Californians“, trieben die Flüchtlinge voran.
In der dritten Disziplin wurde buchstäblich weggelaufen. Vorbei an der Golden Gate und über den Baker Beach, führte die Laufstrecke zur gefürchteten „Sand Ladder“. Spätestens hier war es vorbei mit Panorama genießen. Der steile Anstieg aus weichem Dünensand ließ selbst die härtesten Athleten sehr bald über Kreuz schauen und auf ein baldiges Ende hoffen. Oben angekommen hetzten die Sträflinge durch Bunker-Ruinen und Gräben. Als letzte Hürde musste man eine lange Treppe hinab zur Küste nehmen. Getrieben von der Konkurrenz, oder auf der Flucht vor den Sheriffs, stürzten sich die Läufer die Stufen hinab. Wer zuletzt stürzte oder sich nichts brach wäre dann der Sieger. Alles Umsonst?! Auf den letzten Metern vor dem Zielkanal waren die Athleten plötzlich wieder hinter Gittern. Diesmal jedoch nicht, um die Welt vor diesen Wahnsinnigen zu schützen, sondern, um die großen Massen jubelnden Publikums zurück zu halten. Wer sich falsch eingeteilt hatte und kurz vor dem Ziel glaubte, nicht mehr zu können, wurde enthusiastisch ins Ziel gebrüllt. Hier kam die Gänsehaut sicher nicht von den Anstrengungen, sondern dem unglaublichen Glücksgefühl im Ziel.
Von der Insel sind sie also runter und entkommen, aber dafür auf einem Höhenrausch…und damit bleiben sie auch weiterhin „Prisonrs of Passion“…